Handbuch mit reicher Geschichte

Restauriertes Bruderschaftsbuch wieder fit für die nächsten Jahrhunderte

Vor über 280 Jahren hat Peter Nagels aus Winternam eine Feder angespitzt und mit schwarzer und roter Tinte sorgfältig die erste Seite eines kleinen Büchleins beschriftet: Dit is het hant Boecxken Van het Broederschaep van Den H Carolus Bormijus Der Jongen Sellen van het Wintter naem. Der Levendighe. 1743. peter nagels

Vor......

… und nach der Restaurierung.

 

Gegründet worden war die St. Carolus-Bruderschaft wahrscheinlich spätestens im Jahr 1635. In diesem Jahr – während des Dreißig- bzw. Achtzigjährigen Krieges – war es in der Region zu einem heftigen Ausbruch der Pest gekommen. So schlossen sich einige Männer in Winternam zusammen, um sich gegen die Seuche zu stellen, Kranke zu pflegen und Tote zu begraben. Sie hatten sich den Heiligen Carolus Borromäus zum Namenspatron gewählt, der sich gut 50 Jahre zuvor vorbildlich um die Opfer der Pest in Mailand gekümmert hatte. 

Nachdem die Gefahr durch die Pest gebannt war, blieben die Männer in der Bruderschaft und widmeten sich neben caritativen Aufgaben auch anderen Dingen wie Wettschießen und Festveranstaltungen. Über die Jahrzehnte und Jahrhunderte wurden sie zum festen Bestandteil des geselligen Lebens in Winternam. 1969 haben sie sich mit der St. Georgs-Bruderschaft Winternam vereinigt.

Wechselvolle Zeiten

Der Zeitraum, in dem das Buch begonnen wurde, war die Zeit des Regenten Friedrichs II von Preußen. Hier am Niederrhein bedeutete die Preußische Zeit nach dem Spanischen Erbfolgekrieg eine vergleichsweise friedliche Phase bis zum Jahr 1794, in dem französische Revolutionstruppen die Region besetzten. Die Niederlage Napoleons und die Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress beendete allerdings dieses französische Intermezzo und ab 1815 gehörte das Gebiet des heutigen Kerken wie das gesamte Rheinland zu Preußen. 

Eine typische Innenseite mit einer Abrechnung mit den Junggesellen aus dem Jahr 1793.

 

Im Buch werden Mitglieder aufgelistet, Mitgliedsbeiträge genannt und Ausgaben aufgeführt, so heißt es zum Beispiel: „Anno 1793 heeft micheel Smitmans als Giltmeijster met de jonggesellen alles klaer afgerekent en voeldan met 6 gulden 5 Stüver“ und in einer Liste vom Mai 1848 „[…] Bernard Sibben heeft betaelt aen Karolus 2 Gr.[=Groschen], Jacob Boss Daecken heeft betaelt aen Karolus 2 Gr.[…]“. Es wurde alles im damals üblichen Niederländisch-Niederfränkischen aufgeschrieben. Interessant ist: Die französische Zeit scheint keinen Einfluss auf die im Alltag genutzte Sprache gehabt zu haben. Die Einträge sind weiterhin in Niederländisch abgefasst. Erst zur Mitte der 1850er Jahre setzt sich – auf entschiedenes Drängen der Preußischen Regierung hin – das Deutsche auch im Handbuch durch.  

Ein Stück Heimatgeschichte

Das Buch war über die Jahrhunderte durch zig Hände gegangen, wurde immer wieder hervorgeholt und ergänzt. Das hatte seine Spuren hinterlassen. Auch wenn es über die lange Zeit sorgfältig aufbewahrt worden war, zeigte es sich mittlerweile ziemlich zerfleddert. Im Herbst 2020 ist es im Auftrag der Bruderschaft von einer Fachwerkstatt in Wesel umfassend restauriert worden. Das brüchige und ausgefranste Papier wurde stabilisiert, ergänzt und neu gebunden. Ein neuer fester Einband macht es nun möglich, dass das kleine Handbuch für Recherchen problemlos herangezogen werden kann. Besonders schön, dass die Restaurierung des kleinen Schmuckstücks finanziell durch die Stiftung für Heimatforschung und Heimatpflege der Volksbank an der Niers unterstützt worden ist.

Das Büchlein ist als Depositum zusammen mit anderen historischen Unterlagen der Vereinigten St. Georgs- und Carolus-Bruderschaft im Gemeindearchiv Kerken untergebracht. Ab sofort können sich interessierte Mitglieder der Bruderschaft, Historiker und Heimatforscher mit den zahlreichen Einträgen aus über 150 Jahren beschäftigen, zum Beispiel mit den vielen Namen der Bruderschaftsmitglieder, die vielleicht auch heute noch dem ein oder anderen bekannt vorkommen:  Am 8. Januar 1894 schließt das Buch beispielsweise mit der Unterschrift von „Peter Nick bei Nieukerk“.